Rhein.Treibgut.
von Simone Wunderlin (Kommentare: 0)
Vergnügen ist nur der Vorname
Wasser mag ich sehr, von innen, aussen, selbst von oben, find ich es manchmal ganz schön. Das Meer liebe ich. Seen sind auch toll. Aber der Rhein ist etwas ganz aussergewöhnliches. Und im Rhein schwimmen würd ich sogar als das Beste der Welt bezeichnen. Vermessen? Wer sagt das? Jemand der schon mal drin war? Jemand der sich schon mal vom Tinquely Museum bis zur Dreirosenbrücke treiben liess? Jawohl treiben, aber dennoch braucht man ausgeprägte Schwimmfähigkeiten. Dazu aber später. Jedenfalls diskutiere ich über die Tatsache, dass Rheinschwimmen in Basel es auf die Liste der besten Dinge schafft, die man auf diesem Planeten tun kann, nur mit Leuten, die dieses grandiose Ereignis an einem heissen Sommerabend bereits erlebt haben.
Wer Basel vom Rhein aus schwimmend sieht, geniesst eine Stadtführung der besonderen Art. Die Vielseitigkeit von Basel lässt sich vermutlich nirgends besser abbilden. Ein kleines bisschen Überwindung braucht es sich auf die Strömung und die meist kühlen Wassertemperaturen einzulassen. Aber wenn wir drin sind, einige kräftige Schwimmzüge weiter raus, weg von den Stegen, die hineinragen, werden wir eins mit dem Rhein.
Am Anfang sehen wir grad noch knapp aufs Birsköpfli, dann das schöne Breite-Quartier mit dem Strandbad und dem Restaurant Veronica (mit Basels schönstem Sonnenuntergang) und auf der Kleinbasler Seite Roche mit dem alles dominierenden Turm, der von überall sichtbar ist; dann die vielen Fischerhäuschen mit ihren Fischergalgen, die unzähligen kleinen lauschigen Strände bei niedrigem Wasserstand, die edlen Häuser des Wettstein-Quartiers, schwimmen wir bis zur Wettsteinbrücke.
Für alle die Respekt oder gar Angst haben vor dem Rheinschwimmen, das ist das erste Male, bei dem dieser Respekt ein wenig gerechtfertigt ist. Aber eigentlich ist es das genau gleiche wie beim Fahren auf der Autobahn. Voraussicht ist alles. Ich sehe, da kommt ein Lastwagen und überlege mir genug früh, was ich machen werde und nicht erst 2 Meter vor dem Lastwagen. Da kommt also eine Brücke mit mehreren Bögen immer näher, also entscheide ich mich durch welche Öffnung ich hindurchschwimmen will. So steuere ich schon genug früh darauf zu, Problem gelöst. In Basel ist zudem ganz klar markiert, wo Schwimmen erlaubt ist, da die Rheinfahrtschifffahrt doch eine wichtige Rolle spielt. So ein Rheinschiff kann nicht mal spontan einem Schwimmer ausweichen oder gar bremsen, deshalb hat das Rheinschiff nicht nur Vortritt, sondern auch seinen eigenen Bereich. Dies zurecht. Es ist also ratsam, sich nicht mit Rheinschiffen anzulegen für ein Kräftemessen, wo der Sieger schon bekannt ist.
Dann gibt es da aber auch noch die Fähren, im ganzen vier Stück: St. Alban-Fähre (Wild Maa), die Münster-Fähre (Leu), die Klingental-Fähre (Vogel Griff), die St. Johann-Fähre (Ueli). Diese überqueren den Rhein das ganze Jahr über und sind immer wieder einen kleinen Ritt wert. Ihr Antrieb ist die Strömung. Mit einem Kabel hoch über dem Rhein sind sie befestigt, mit dem Steuer bekommen sie den Antrieb Richtung Ufer. Auch Ihr Bremsvermögen ist eingeschränkt, es empfiehlt sich also hier voraussichtig zu sein und gut abzuschätzen, ob man noch vor oder nach der Fähre durchkommt.
Nun haben wir also die Wettsteinbrücke unterquert. Ist das überhaupt ein Wort? Jetzt kommt das Highlight, das Münster thront auf der Pfalz wunderschön über dem Rhein, wenn man Glück hat auch mal ohne Baugerüst. Wobei die ganze Strecke von Highlights umgeben ist. Ja sogar ein einziges Highlight ist! Die wunderschönen Basler Altstadthäuser auf beiden Seiten. Waren bisher an den kleinen Stränden und am Ufer mehrheitlich Familien und Pärchen, die Stimmung ruhig und entspannt, wird es nun langsam lebendiger und jünger und auch voller auf der Kleinbasler Seite.
Nächste Herausforderung, die mittlere Brücke aber mit vorzeitiger Planung ist auch diese problemlos bewältigbar. Und diese Brücke sollte niemand unterqueren um nicht mindestens einmal herzhaft zu jauchzen, jodeln oder sein Glück hinauszujubeln, denn der Hall ist einmalig. Die Touristen auf der Brücke erschrecken kurz oder wundern sich zumindest, schauen dann aber neidvoll auf den Rhein und die ganzen Schwimmer mit ihren farbigen Schwimmsäcken. Wenn es heiss ist, gibt es nichts Schlimmeres als die fröhlichen Menschen im Wasser zu sehen, die soviel Spass haben und selber - aus irgendeinem unseligen Grund - nicht die Zeit oder Möglichkeit zu haben, sich an diesem Abend in das kühle Nass des Rheins zu stürzen. Ja und die Schwimmer geniessen es, denn Rheinschwimmen ist völlig freiwillig, keiner macht dies aus einem anderen Grund als zu seinem Vergnügen.
Das Wasser ist sauber, erfrischend und fühlt sich wie ein Jungbrunnen an. Nach vielen heissen Tagen ist es nicht mehr ganz so sauber und auch der erfrischende Effekt lässt ein wenig nach. Wenn man selber im Wasser ist, kommt es einem gar nicht schnell vor, dann sieht man die Gebäude blitzartig durchziehen und ahnt mit welcher Geschwindigkeit man unterwegs ist. Das Ufer auf der Kleinbasler Seite gesäumt von unzähligen Menschen, Feierstimmung, Musik, viele grillieren. Die Grossbaslerseite ohne Uferzone, die zum Verweilen einlädt, stolz präsentiert sich das Hotel Dreikönig, die beste Adresse in Basel, dann die schmucken schmalen Häuser in allen Farben im Johanniter-Quartier.
Es sind nun schon über 25 Minuten vergangen, langsam spüre ich die Anstrengung, denn das Treibenlassen ist eben doch ein permanentes Steuern, Mitschwimmen und in Bewegung sein. Sich mit seinem Schwimmgespänli unterhalten, sich gegenseitig gerade Entdecktes zeigen. Immer mal wieder zum Ufer gucken, ob man jemand kennt. Die Schönheit der Stadt geniessen. Sich darüber freuen, genau in diesem Augenblick genau hier zu sein und das tun zu können.
Die Kaserne und die originellen Buffeten, an einem schönen Abend ist es überall ein wenig überfüllt. Es wuselt, es ist lebendig. Denn halb Basel will nach einem heissen Arbeitstag, den Abend bei einem kühlen Glas ausklingen lassen. Und so fühlt es sich trotz normalem Werktag wie ein Ferientag am Meer an. Man vergisst einfach, dass man vor 2 Stunden noch schwitzend im Büro sass und denkt auf keinen Fall daran, dass man am nächsten Tag wieder um 8 h dahin zurück muss. Alles ist soweit weg und Basel fühlt sich an wie am Mittelmeer.
Schon kommt die nächste Brücke, die Johanniterbrücke, jetzt befassen wir uns langsam mit Ausstiegsgedanken. Man muss sich schon ein wenig überlegen, wo raus, denn an einem schönen Tag gibt es immer beim Einstieg und beim Ausstieg ein wenig Gedränge, dazwischen, auf dem Rhein selber ist dann alles wieder ganz gechillt.
Am liebsten nehm ich dann eine der Metalltreppen, die sich zwischen den kleinen angelegten Sportbooten befinden. Da kommt man noch am elegantesten raus, die anderen Ausstiege haben schon manchen mit ihren rutschigen Algen zu Fall gebracht. Bei den Zuschauermengen kann man gut auf diesen Abschluss verzichten. Aber wenn ich mich dann jeweils hochhieve mit meinem Schwimmsack, spüre ich meine Erschöpfung. Es sind nun seit dem Einstieg tatsächlich 40 Minuten vergangen, es ist so kurzweilig, das man dem Blick auf die Uhr beim ersten Mal gar nicht trauen mag.
Die kurze Müdigkeit verfliegt schnell, wenn wir dann mit gefüllten Gläsern die Aussicht aufs Grossbasel geniessen. Die letzten Sonnenstrahlen am Abend treffen das Ufer des Kleinbasels und die geniesst man mit vielen anderen, die ganzen Treppen sind geragelt voll. Es riecht nach Süden.
Manchmal verweile ich nur kurz, manchmal länger, was immer bleibt ist der Gang zurück. Denn was runter geschwommen wurde, muss nun zu Fuss zurück erobert werden.
Es gibt da verschiedene Ansätze entweder man lässt sein Velo oder Auto da wo man aussteigt. Dann steht einem aber der Marsch zum Einstiegspunkt bevor, aber man hat es gleich am Anfang hinter sich, oder direkt beim Einstiegsort, dann hat man diesen Marsch aber nach all dem Vergnügen noch vor sich oder man entscheidet sich für die Mitte, dann gibt es vorher einen Marsch und danach nochmals. Von der Dreirosenbrücke bis zum Tinquely Museuum wird es wohl bei gemütlichem Spaziergang-Tempo 1 Stunde sein. Da teilt man es sich doch lieber in 2 Hälften ein oder spart sich das Ganze und fährt mit öV, aber vom Rhein läuft man da auch wieder ein gutes Stück durchs Quartiert und verpasst den wunderschönen Rheinspaziergang.
Die Völkerwanderung ist fast schon ein Pilgern, alle mit ihren farbigen Säcken. Alt, jung, arm, reich, gebildet, ungebildet, alternativ, angepasst, Schweizer, Ausländer, die hier wohnen, Touristen, es ist ein wenig wie Fasnacht, im Rhein sind alle gleich. Der Marsch, ein notwendiges Übel, dass uns alle vereint. Und es ist ein wenig magisch in diesem Tross mitzulaufen, lose verbunden durch die gleiche Absicht, rheinaufwärts, um sich dann wieder rheinabwärts treiben zu lassen.
Abends unterwegs in der Stadt, erkennen wir uns an unseren bunten Schwimmsäcken. Gleichgesinnte, verbunden durch Liebe zum Rheinschwimmen. Verschmitzt lächeln wir uns manchmal zu und bedauern alle nicht Eingeweihten.
Das kleine Rheinschwimm-ABC
Schwimmsäcke – Transport von Kleidern und Schwimmhilfe: Sobald man den Vorteil erkennt, will man nie wieder ohne. Meist in der Form eines Fisches, werden die trockenen Kleider, Schuhe und Wertsachen darin verstaut, ein paarmal am Schwanz eingedreht und schon ist der Fisch mit Luft gefüllt und wasserdicht.
Blaue Bojen - hier geht’s lang für uns Schwimmer: Rheinschwimmplan
Rheinschifffahrt - immer dem Schiff Platz machen, es kann weder ausweichen noch stoppen, es gewinnt immer.
Schwimmhilfen - ausser dem Schwimmsack sind keine Schwimmhilfen erlaubt, weder Flügelchen für kleine Kinder noch grosse Reifen oder Matratzen für grössere. Weshalb das so ist? Vermutlich weil man nur gute Schwimmer im Rhein haben möchte.
Schwimmanforderung - Mann/Frau/Kind sollte auf jeden Fall ein guter und sicherer Schwimmer sein, vor allem angstfrei.
Wirbel / Brücken - Die Tücken der Flüsse: Wirbel hat es meist bei Brückenpfeilern. Frühzeitig ausweichen und mittig durch den Torbogen schwimmen. Sollte man von einem Wirbel runtergezogen werden, ruhig bleiben, bis man Boden spürt und sich dann seitwärts abstossen.
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