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Letzthin...

von Simone Wunderlin (Kommentare: 1)

...hab ich meiner inneren Polizistin guten Tag gesagt.

Bild Lebedev - Fuck the Rain - Alternativtitel: Fuck everybody behind me while I am enjoying this band.

Letzthin war ich an einem Open-Air. Es regnete irgendwann. Natürlich. Das Markenzeichen des Sommers 2014. Unzählige Knirpsschirme schnellten in die Höhe, auch ganz vorne. Niemand beschwerte sich. Seit wann ist das denn Usus? Und wo sind die 8 Millionen Polizisten, wenn man sie mal braucht. Selbstverständlich hab ich einmal „Schirm runter“ gezischt. Erfolglos. Und die Rolle der Spielverderberin gefällt mir gar nicht. Abgesehen davon ging mein Stimmchen im Rauschen des Regens und der Musik unter. Das Gute am Regen an Open-Airs? Die Zahl der Smartphones und Ipads im Sichtfeld nimmt dramatisch ab. Aber sind Knirpse wirklich eine gute Alternative? 

Letzthin war ich in New York.

Eine tolle Stadt, meine Lieblingsstadt. Aber natürlich hat auch diese Stadt ihre Schattenseiten. Es ist alles ein wenig schmuddelig, wenn man sich nicht gerade an der 5th Avenue befindet. Und es scheint niemanden zu stören. Besonders dreckig sind die Subwaystationen. Auf meine Frage, ob da mal ab und zu jemand mit dem Schlauch den Dreck runterspült, wurde ich nur ausgelacht. Die wiederkehrenden Überschwemmungen nach starken Regenfällen wären Reinigung genug. Als ich während des Wartens einmal kurz meinen schmerzenden Fuss aus meinem Schuh auf das Perron abgesetzt habe – ugghhhhh - schnellte mein Fuss mit Lichtgeschwindigkeit zurück in den Schuh und mir grauste vom jahrzehntealtem Dreck, den ich nun unwiderruflich in meinem Schuh verewigt habe. Ok, mit dem Dreck muss man lernen, klar zu kommen. Was mir aber sehr schwer fiel, war die nichtvorhandene Kommunikation mit leicht passivaggressiver Schwingung in der Subway. Leute verstellen die Türen von innen, draussen drängeln sie rein ohne Abzuwarten, ob jemand aussteigen will. Und das alles ohne Worte. Unerträglich. Nicht mal ein kurzes „Let the people get out“, gar nichts. Auch wird in der Subway nicht gesprochen. Ausser man kennt sich, dann redet man aber auch nur gedämpft. Nur Touristen und Verrückte reden laut. Ha! Und zu denen will natürlich niemand gehören. Ich ja auch nicht.

Letzthin bin ich vom Flughafen Zürich geflogen.

Ja, genau danach war ich auch in New York. Und wie bin ich erstaunt gewesen, wie freundlich das Zollpersonal war. Die haben mich sogar angelächelt und mir einen schönen Tag gewünscht! Jahrelang habe ich gedacht, ach wie toll ist dieser EuroAirport. So klein und überschaubar, so nah bei Basel. Aber beim Check-in in mürrische schlechtgelaunte Gesichter blicken zu müssen und bei der Gepäckkontrolle jedes Mal wie ein verurteilter Schwerverbrecher behandelt zu werden, mit einer Körperkontrolle, die seines gleichen sucht, nimmt einem ein wenig die Freude am Reisen. Ich wäre ja sogar bereit an diesem Flughafen englisch zu sprechen, aber Fehlanzeige, mehr als französisch darf man nicht erwarten. Wenn das Personal am Zoll vom Euroairport diese Unfreundlichkeit mit Effizienz und Effektivität wettmachen würde, könnte ich beide Augen zudrücken. Aber sie ahnen es, da landen wir auch im Minusbereich. Ich würde sehr gerne etwas sagen, befürchte dann aber am Zoll direkte Sanktionen. Irgendein Grund würde sich bestimmt finden, mich unter Terrorverdacht erst mal am Flughafen zu behalten. Ich wollte dem EuroAirport einen Brief zu diesem Thema schreiben. Aber der Moment scheint mir ungünstig. Die haben gerade mit der französischen Regierung so viele andere Probleme, dass ich besser warte bis sich die Lage wieder beruhigt, sonst interessiert sich ja kein Mensch für Nichtigkeiten wie permanente Unfreundlichkeit.

Letzthin war ich im Gartenbad.

Jawohl, ich habe sie gefunden, die Lücken am Regenhimmel. Denn das Positive am wechselhaften Sommer, neben Regen gab es auch immer wieder Sonnenschein, wenn auch nur kurzeitig. Aber wer auf zack ist, hat sein Schwimmzeug immer dabei und nutzt jede Gelegenheit. Feststellen musste ich leider, dass der Bademeister als Aufsichtsperson irgendwie ausgedient hat. Sie sitzen auf ihren Stühlen unter den Schirmen, die Augen bedeckt mit verspiegelten Sonnenbrillen, keiner weiss, ob es schläft oder denkt oder schaut. Ich schwimme meine Längen mit dem Kopf über Wasser, denn meist muss ich danach gleich wieder zur Arbeit. Schwimme so langsam, dass ich beobachten kann. Und ich sehe viel. Zuviel.

Die Leute springen von der Seite rein, duschen nicht, laufen mit den Schuhen um das Becken, essen direkt am Beckenrand und tragen ihre Unterwäsche im festen Glauben, man würde den Unterschied nicht erkennen. Es ist schlimmer geworden, kein Bademeister sagt etwas und ich zügle meine interne alte Polizistin.

Die Frage ist natürlich, bin ich intolerant und sollte nun einfach mal beide Augen zudrücken? Ja ist sicher die einfachste Antwort. Es hat schon genug Regulierungen und Verbote, wir brauchen nicht auch noch Simone, die auf ehrenamtlicher Streife ist.

 Aber Regeln sind eben auch gut, denn sie regeln den Zusammenhalt. Keiner will in einem vermüllten Schwimmbecken seine Bahnen ziehen. Keiner will dass die totale Anarchie ausbricht. Aber niemand will einen Polizeistaat. Und dort, wo die Menschen am meisten Freiheit erwarten, herrscht längst ein System der totalen Kontrolle. Google sei Dank.

Und an der Weltmeisterschaft im Sommer hat man ja gesehen, wohin die überaus nachlässigen Schiedsrichterentscheide geführt haben. Die Fouls wurden immer brutaler. 

Es ist wie so oft das berühmte Unterscheidungsvermögen, dass eine gute Lösung bringt. Wann muss Kritik sein, wann drückt man ein Auge zu und lässt fünf gerade stehen. Alleine mir zur überlegen, wie sehr betrifft mich dies nun persönlich und lohnt sich der Energieaufwand, hilft mir da schon weiter. Sonst werde ich eine alte frustrierte Hexe. Aber wenn man etwas sagt, dann ist man es eben auch ein Stück los, kann weitermachen und es sammelt sich nichts an, sozusagen eine Form von Psychohygiene. Das heisst ich muss doch noch ein paar Briefe schreiben. 

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Kommentar vonDominik

Sali Simone

War schön deinen Blog zu lesen, dass reizt ja richtig NY zu besuchen.

Gruss Dominik

Antwort von Simone Wunderlin

Hoi Dominik

Vielen Dank! Ja, NYC lohnt sich.

liebe Gruess

Simone